Ein Jahr Wenkerbögen-App

Im März 2022 ging die Marburger Wenkerbögen-App (https://apps.dsa.info/wenker) online. Grund genug nach ungefähr einem Jahr die Entste­hungs­ge­schich­te und ein wenig die Umsetzung und Aufnahme in der Community Revue passieren zu lassen. Der erste Teil des Beitrags beschäf­tigt sich intensiv mit den Ursprün­gen in dem Schweizer Citizen-Science-Projekt, während der zweite Teil die techni­schen Hinter­grün­de und Design­prin­zi­pi­en durch­leuch­tet. Abgerun­det wird der Beitrag mit einem Ausblick auf anste­hen­de Verbes­se­run­gen, die sich nach einem Jahr Feedback­sam­meln ergeben haben.

Die Schweizer Wenkersätze

Seit den späten Neunzi­ger­jah­ren wurden an der Univer­si­tät Zürich unter der Leitung von Elvira Glaser Forschun­gen zur schwei­zer­deut­schen Dialekt­syn­tax durch­ge­führt, bei denen es um die regio­na­len Unter­schie­de im Aufbau von Sätzen und Satztei­len ging, also etwa darum, ob man für es Buech z läse oder zum es Buech läse ‚um ein Buch zu lesen‘ verwendet oder ob es heisst ob er mol wett hüüraate oder ob er mol hüüraate wett ‚ob er einmal heiraten will‘. In diesem Zusam­men­hang war unser Team auch an allen bereits vorhan­de­nen Materia­li­en inter­es­siert, die einen Einblick in ältere Sprach­ver­hält­nis­se geben konnten, um einen möglichen Sprach­wan­del festzustellen.

Der für die schwei­zer­deut­sche Dialek­to­lo­gie grund­le­gen­de Sprach­at­las der deutschen Schweiz (SDS), dessen Daten in den Jahren 1939–1958 erhoben wurden, hatte solche Fragen nur mit wenigen Karten berück­sich­tigt. Da kurz zuvor (1933) die sogenann­ten 40 Wenker­sät­ze in zahlrei­chen Schulen der Deutsch­schweiz in den jewei­li­gen Dorfdia­lekt übersetzt wurden, bot sich dieses Material zur näheren Prüfung an.

Quelle: https://citizensciencezurich.blog/2019/08/30/wenker-wiesel-wochenende/

Aufgrund der schrift­lich erfolgten Erhebung, die verschie­de­ne Probleme bei der Auswer­tung der lautli­chen Verhält­nis­se bot, waren die von den Lehrern – selten auch Lehre­rin­nen – meist handschrift­lich ausge­füll­ten über 1750 Papier­bö­gen mit jeweils 40 übersetz­ten Sätzen lange Jahre von der Forschung wenig beachtet worden. Die darin verwen­de­ten verschie­de­nen Satzkon­struk­tio­nen verspra­chen aber inter­es­san­tes Material zu bieten, etwa zur möglichen Markie­rung von Dativ­for­men mit einer Präpo­si­ti­on im Satz 21 Wem hat er die neue Geschich­te erzählt. Wir machten uns daher in Zusam­men­ar­beit mit dem Forschungs­zen­trum Deutscher Sprach­at­las der Univer­si­tät Marburg daran, die vorhan­de­nen Schweizer Bögen zu inven­ta­ri­sie­ren. Die gesam­mel­ten Originale und Kopien dienten dann einer Dokto­ran­din aus St. Peters­burg als Grundlage für ihre Disser­ta­ti­on (vgl. Kakhro 2005). Für ihre Pilot­stu­die erfasste sie das umfang­rei­che Material erstmals elektro­nisch in einer Datenbank, deren Auswer­tung deutlich zeigte, dass sich die Unter­su­chung der Schweizer Wenker­sät­ze auf syntak­ti­sche Beson­der­hei­ten hin lohnen würde. Mit den Überset­zun­gen von Wenker­satz 16 (Du bist noch nicht gross genug, um eine Flasche Wein auszu­trin­ken) ließ sich z.B. die West-Ost-Verteilung der erwähnten Anschluss­ty­pen für ä Fläsche Wy uusztrin­ke oder zum ä Fläsche Wy uusztrin­ke belegen. Auch die präpo­si­tio­na­le Dativ­mar­kie­rung eines Frage­pro­no­mens ließ sich in Satz 21 etwa im Luzer­ni­schen nachwei­sen (wemm hed är di neu Gschecht verzellt? o.ä.). Weitere Unter­su­chun­gen bestä­tig­ten die Brauch­bar­keit der Daten, etwa hinsicht­lich der Kompa­ra­ti­ons­kon­struk­tio­nen (vgl. Friedli 2008, 2012) sowie flektier­ter prädi­ka­ti­ver Adjektive und Parti­zi­pi­en (Fleischer 2014). Es zeigte sich: Durch die Dichte der Schulorte vermit­teln die abgefrag­ten Sätze einen einzig­ar­ti­gen Überblick über die dialek­ta­len Unter­schie­de zur damaligen Zeit. Für viele Deutsch­schwei­zer Orte gibt es kaum ältere Zeugnisse der Dorfmund­ar­ten, da auch Tonauf­nah­men damals gerade erst aufkamen und teure und umständ­li­che Unter­neh­mun­gen darstell­ten (vgl. Fleischer 2017).

Ab 2014 wurden innerhalb eines vom Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­fonds geför­der­ten Projekts zur quanti­ta­ti­ven Analyse der schwei­zer­deut­schen Syntax (SynMod) neue Anstren­gun­gen unter­nom­men, um eine Datenbank mit detail­ge­treu transkri­bier­ten Wenker­sät­zen zu erstellen. Studen­ti­sche Hilfs­kräf­te tippten in einem ersten Anlauf hunderte von über die Schweiz verteilte Bögen ab, wobei zunächst die Orte im Vorder­grund standen, die auch im Natio­nal­fonds­pro­jekt erforscht wurden. Entschei­dun­gen über die Wieder­ga­be handschrift­li­cher Sonder­zei­chen zur Angabe spezi­el­ler Lautungen an den Schul­or­ten und entspre­chen­de Korrek­tur­durch­gän­ge nahmen viel Zeit in Anspruch. Es war schnell klar, dass für die vollstän­di­ge, genaue Transkrip­ti­on der Schweizer Wenker­sät­ze zusätz­li­che Helfer und Helfe­rin­nen nötig waren, auch wenn wir einige von Jürg Fleischer im Rahmen seines Projekts ‚Morpho­syn­tak­ti­sche Auswer­tung von Wenker­sät­zen‘ (Univer­si­tät Marburg) erstell­ten Transkrip­tio­nen Schweizer Bögen überneh­men konnten. Die Koordi­na­ti­on der Wenker­tran­skrip­tio­nen übernahm in dieser Phase Sandro Bachmann, Assistent am Lehrstuhl. Auf der Basis der ca. 600 bis 2017 transkri­bier­ten Bögen konnte in einem unter der Feder­füh­rung von Alfred Lameli entstan­de­nen Aufsatz gezeigt werden, dass dieser reduzier­te Daten­be­stand bereits sinnvolle Aussagen über die Gliede­rung der schwei­zer­deut­schen Dialekte erlaubt. Grundlage war die Auswer­tung der Unter­schie­de in der Schrei­bung, die in früheren Zeiten als unergie­big angesehen wurde.

Quelle: https://www.schweizforscht.ch/projekte/schweizer-deutsch-1930–2020

2018 ergab sich die Gelegen­heit, dass wir mit dem neuge­grün­de­ten Citizen-Science-Center der Univer­si­tät Zürich das Projekt Schwei­zer­deutsch 1930/2020 in Angriff nehmen konnten: Das Ziel war, die Schweizer Wenker­sät­ze auf einer Webseite mit Hilfe von freiwil­li­gen Helfern und Helfe­rin­nen aus der Bevöl­ke­rung vollstän­dig elektro­nisch erfassen zu lassen. Die Schweizer Bögen bieten den Vorteil, dass nur ein kleiner Teil noch in Kurrent­schrift geschrie­ben ist und einige sogar mit Schreib­ma­schi­ne verfasst wurden. Wir rechneten außerdem mit dem großen Interesse der Deutsch­schwei­zer und Deutsch­schwei­ze­rin­nen an ihrem eigenen Dialekt und dem ihrer Umgebung, was sich auch bestä­tig­te. Für die große Resonanz sorgten auch Mittei­lun­gen und Inter­views in den Medien, Verlin­kun­gen mit Forschungs­por­ta­len sowie ein Kurs an der Senio­ren­uni­ver­si­tät Zürich. Aller­dings sind nicht alle Deutsch­schwei­zer Kantone gleich gut abgedeckt, da im Zuge der politi­schen Ereig­nis­se der 1930er Jahre offenbar die weitere Vertei­lung oder Bearbei­tung der Frage­bö­gen abgebro­chen wurde. Teilweise kamen damals 100% der verteil­ten Bögen ausge­füllt zurück, z.B. im Kanton Aargau, teilweise wurden aber nur wenige übersetz­te Bögen zurück­ge­schickt, z.B. im Kanton Uri (vgl. Fleischer 2017: 114). 

Die in Kurrent­schrift ausge­füll­ten Bögen wurden gleich zu Beginn transkri­biert1Das Schweizer Projekt verwen­de­te die allge­mein­ge­bräuch­li­che­re Bezeich­nung Transkrip­ti­on im weiteren Sinne nicht als ausspra­che­ba­sier­te Umsetzung, sondern statt dem im Marburger Projekt verwen­de­ten Trans­li­te­ra­ti­on, das wissen­schaft­lich präziser für die Umsetzung Buchstabe für Buchstabe in eine andere Schrift(type) gebraucht wird.. Während in den meisten Fällen ein einzelner Bogen oder gar nur einzelne Sätze auf der neuen Webseite einge­tippt wurden, blieben einige Personen für längere Zeit dabei. Wie oft bei Citizen-Science-Projekten ist es am Schluss eine Person, die dauerhaft bei der Arbeit engagiert ist. In dieser ersten Phase konnten wir viele Erfah­run­gen sammeln, zumal die Betei­lig­ten auch die Möglich­keit zur Rückmel­dung hatten, was rege genutzt wurde. Es waren meistens Fragen zu Sonder­zei­chen, deren sich die Lehrer bedienten oder die diese sich selbst ausge­dacht hatten, um ihren Dialekt zu verschrif­ten. Manchmal wurden auch Bemer­kun­gen zu den vorge­ge­be­nen hochdeut­schen Sätzen oder zur Qualität der Überset­zun­gen gemacht, wobei es im Zürcher Projekt auch möglich war, eigene Überset­zun­gen für den gewählten Schulort schrift­lich festzu­hal­ten. Die Möglich­kei­ten, bei der Ausge­stal­tung der Webseite Einfluss zu nehmen und auch gelegent­li­che Fehler in der Zuordnung der Bögen zu Orten und Kantonen oder fehler­haf­te Schrei­bun­gen in den Ortsnamen entdecken zu können, wurden von den Betei­lig­ten sehr geschätzt. Besonders groß war die Betei­li­gung an der Transkrip­ti­ons­ak­ti­on im Kanton Bern. Das Zürcher Wenker­pro­jekt wurde v.a. in der Anfangs­pha­se durch die Master­stu­den­tin Carmen Raggen­bass begleitet, die selbst ihre Abschluss­ar­beit über die Appen­zel­ler Wenker­sät­ze schrieb.

2021 wurde der Support aller­dings nicht mehr für die während der Pilot­pha­se erstell­ten Webseiten weiter­ge­führt. Bis dahin war aber erst gut die Hälfte aller Bögen transkri­biert. Glück­li­cher­wei­se ergab sich unmit­tel­bar danach die Gelegen­heit, sich dem in Entste­hung befind­li­chen Citizen-Science-Projekt des Forschungs­zen­trums Deutscher Sprach­at­las anzuschlie­ßen. Seither hat v.a. eine bereits zuvor besonders engagier­te Bürger­wis­sen­schaft­le­rin konti­nu­ier­lich weitere Bögen transkribiert. 

Wenker-Sätze  transkri­bie­ren…

Im Sommer 2019 las ich in der NZZ und hörte am Radio über das Citizen Science Projekt der Uni Zürich. Neugierig suchte ich den Wenker-Bogen meiner Heimat­stadt Luzern – und war verblüfft: das sah ja wild aus mit vielen Sonder­zei­chen und Akzenten! Das reizte mich. Nach dem Mathe-Studium hatte ich mich nie «richtig» mit Sprache — geschwei­ge denn mit Lingu­is­tik – beschäf­tigt. Ich fand es spannend, viele mit Kurrent­schrift ausge­füll­te Bögen zu transkri­bie­ren. Weil immer die gleichen Sätze übersetzt waren, lernte ich die Schrift leichter zu entziffern.

Annemarie Fellmann

Im Austausch über die jewei­li­gen Überset­zun­gen sind wir sowohl auf Beson­der­hei­ten im Wortschatz als auch auf bisher unbekann­te syntak­ti­sche Phänomene gestoßen, die auf eine künftige Publi­ka­ti­on warten. 


Die Marburger Wenkerbögen-App

Die Wenkerbögen-App des Deutschen Sprach­at­las entstand aus einem Neben­pro­jekt heraus, nachdem Herr Professor Schmidt, der damalige Leiter des Sprach­at­las, auf der IGDD-Tagung 2018 von dem Schweizer Citizen-Science-Projekt gehört hat und von der Idee sehr begeis­tert war. Es stellte sich schnell heraus, dass dieses Projekt mehr als nur ein Neben­schau­platz ist, und eine Arbeits­grup­pe bildete sich, um den Aufbau und Umfang der Anwendung zu definie­ren. Die Appli­ka­ti­on sollte neben dem Citizen-Science-Aspekt auch als Katalog und Sammel­stel­le für die Wenker­bö­gen und Trans­li­te­ra­tio­nen dienen, die im Laufe der Jahre im Haus entstan­den sind. Letztlich sollte es den bishe­ri­gen Wenkerbögen-Katalog der REDE Plattform ersetzen. Maria Luisa Krapp, damals studen­ti­sche Hilfs­kraft bei Professor Cysouw, sammelte ein initiales Datenset von ca. 1500 trans­li­te­rier­ten Wenker­bö­gen und bereitete diese für einen Import vor. Diese Bögen dienten als Daten­grund­la­ge für die Entwicklung.

Technisch ist die Wenkerbögen-App von dem ursprüng­li­chen für das Schweizer Citzen-Science-Projekt entwi­ckel­ten Appli­ka­ti­on inspi­riert. Als Grund­frame­works wurde sich für Vue für die Nutzer­ober­flä­che, FastAPI als REST-Server sowie IIIF-Standard für die Bereit­stel­lung der Bögen und PostgreS­QL als Datenbank entschie­den. Gerade Vue und FastAPI als Interface respek­ti­ve Server­frame­work erlauben eine schnelle und sichere Entwick­lung von sogenann­ten “Single Page Apps” (SPA). Vue generiert die Webseiten aus dem Javascript-Code und kann die benötig­ten Daten über die REST-Schnittstelle des FastAPI-Servers laden. Vue basiert auf dem sogenann­ten “Observer Pattern”, was automa­tisch Änderun­gen an den Daten an die Benut­zer­ober­flä­che weiter­gibt. Das ermög­licht eine einfache Entwick­lung von dynami­schen Webanwendungen.

Die Bögen stehen außerdem, ganz im Sinne von OpenAc­cess, in einem frei zugäng­li­chen Reposi­to­ri­um. Sämtliche Trans­li­te­ra­tio­nen werden automa­tisch mit einem GitHub-Repostorium synchro­ni­siert, die dort abgelegt Daten sind maschi­nen­les­bar und sämtliche Änderun­gen lassen sich nachverfolgen.

Beim Entwurf der Nutzer­ober­flä­che ging es vorrangig um Einfach­heit. Der Zugang sollte nieder­schwel­lig gehalten werden, um ein breit­ge­fä­cher­tes Publikum anspre­chen zu können. So ist die einfachs­te Art einen Bogen zu finden, einfach in der Karte in die Region, die man sucht, zu zoomen. Die Auswahl der Bögen passt sich dynamisch an den Karten­aus­schnitt an.

Die Nutzer­ober­flä­che des Wenkerbogen-Katalogs

Neben dem dynami­schen Zoom lassen sich natürlich auch noch nach Ortsnamen, Bogen­num­mer und einer Volltext­su­che über die Metada­ten­fel­der nach Bögen suchen. Eine Filter­funk­ti­on erlaubt es die Bögen nach bestimm­ten Sprachen zu filtern. Diese Funktio­nen sollen ein effek­ti­ves Suchen nach den Bögen ermög­li­chen und als ein Ersatz für den bishe­ri­gen Wenkerbogen-Katalog dienen. Ein Bogen lässt sich mittels Klick auf das entspre­chen­de Symbol öffnen. Bögen, für die bereits eine Trans­li­te­ra­ti­on vorliegt, unter­schei­den sich optisch von den übrigen.

Die Wenkerbogen-Anzeige zeigt auf der linken Seite den Wenker­bo­gen und auf der rechten Seite die Metadaten und bereits erstellte Trans­li­te­ra­tio­nen. Außerdem gibt es die Möglich­keit, den Bogen als PDF und die Trans­li­te­ra­tio­nen in verschie­de­nen Formaten, inklusive Excel, herun­ter­zu­la­den. Der Bogen wird nicht als stati­sches Bild geladen, sondern über den IIIF-Server in sogenann­te “Tiles” aufge­teilt, die dynamisch je nach Ausschnitt oder Zoomstufe geladen werden. So muss nicht das gesamte Bild auf einmal geladen werden und man kann trotzdem so weit wie möglich hinein­zoo­men, wie es die ursprüng­li­che Auflösung hergibt. Diese Technik ermög­licht es, hochauf­lö­sen­de Bilder, die teilweise deutlich über 1 Gigabyte groß sein können, schnell im Netz zu präsen­tie­ren. Aus der Wenkerbogen-Anzeige kann man über “Neue Trans­li­te­ra­ti­on” den Wenkerbogen-Editor starten.

Die Wenkerbogen-Anzeige

Der Transliterations-Editor hat eine von Oben-nach-Unten Ansicht. Vom eigent­li­chen Wenker­bo­gen wird nur noch ein Ausschnitt angezeigt. Der Ausschnitt ist auf den aktuellen Satz fokus­siert und passt sich je nach Satz automa­tisch an2Die automa­ti­sche Justie­rung der Sätze basiert auf einem einfachen Prinzip und muss nicht immer korrekt sein. Der Ausschnitt lässt sich aber manuell nachjus­tie­ren. Direkt unter dem Wenker­bo­gen­aus­schnitt befindet sich das Einga­be­feld, inklusive Anzeige, um welchen Satz es sich handelt und die Möglich­keit zum nächsten oder vorhe­ri­gen Satz zu wechseln. Ein Schie­be­reg­ler ermög­licht zudem schnell zu einem gewünsch­ten Satz zu springen.

Der Transliterations-Editor

Ein Problem bei der Trans­li­te­ra­ti­on sind Anmer­kun­gen oder Korrek­tu­ren, die damals direkt in den Bögen selbst vorge­nom­men wurden und Sonder­zei­chen. Der Editor bietet Shortcuts an, um schnell Unsicher­hei­ten oder Anmer­kun­gen zu markieren. Für die Art der Kennzeich­nung nutzt der Editor spezielle Klammern, damit sie bei einer Analyse der Sätze automa­tisch verar­bei­tet oder heraus­ge­fil­tert werden können. Außerdem bietet der Editor eine Auswahl besondere Schrift­zei­chen oder Diakritka, die in den Bögen vorkommen können, damit soll sicher­ge­stellt werden, dass auch die richtigen Unicode-Symbole verwendet werden. Die Auswahl der Zeichen erfolgt dem bishe­ri­gen Wissens­stand, lässt sich aber leicht erweitern, sollten bisher nicht abgedeck­te Zeichen in den Bögen auftau­chen. Da die meisten Wenker­bö­gen in Kurrent­schrift verfasst sind, bieten wir als Hilfe­stel­lung an, sich den Satz oder einzelne Zeichen in Kurrent anzeigen zu lassen.

Nachdem der:die Nutzer:in ihre Sätze eingeben hat, müssen sie noch abgespei­chert werden. Bevor die Sätze dann in der Datenbank landen, gibt es noch einmal die Möglich­keit die Sätze zu kontrol­lie­ren. Sämtliche gespei­cher­te Sätze werden außerdem in das GitHub-Repositorium hochge­la­den, und stehen damit frei für jeden Inter­es­sier­ten zur Verfügung.

Wir wollen den Nutzer:innen die Möglich­keit geben, ihre Bögen zu einem späteren Zeitpunkt weiter zu bearbei­ten. Leider können wir aus Zeitgrün­den bisher kein vollstän­di­ges Nutzer­ma­nage­ment anbieten. Statt­des­sen bieten wir eine verein­fach­te Option an, die ganz ohne Anmeldung auskommt aber Anony­mi­tät gewähr­leis­tet. Diese Option ist völlig optional und der:die Nutzer:in muss explizit zustimmen, diese nutzen zu wollen: In der Wenkerbogen-App kann man optional ein zufällig generier­tes Token, eine sogenann­te UUID erzeugen, welches lokal auf dem Rechner als Cookie gespei­chert wird und beim Absenden einer Trans­li­te­ra­ti­on oder bei der Anfrage nach den eigenen Trans­li­te­ra­tio­nen mitge­sen­det wird. 3Dieses System ist eine simple Imple­men­tie­rung des “Magic Link”-Prinzips, welches eine passwort­lo­se Authen­ti­fi­zie­rung ermög­licht, und bietet eine unidi­rek­tio­na­le Identi­fi­zie­rung. Der Nutzer kann seine eigenen Bögen anhand dieses Tokens bestimmen, aber wir können nicht aufgrund dieses Tokens den Nutzer rückver­fol­gen. Zudem müssen keine persön­li­chen Daten angegeben werden. Eine Einschrän­kung ist aller­dings, dass diese Identi­fi­ka­ti­on browser­ge­bun­den ist und wenn man dieses Token verliert, lassen sich die damit erstellen Bögen nicht mehr bearbeiten.

Die Wenkerbögen-App ist Ende März 2022 live gegangen und bietet inzwi­schen über 100000 trans­li­te­rier­te Sätze an. Immer wieder tauchen neue UUIDs auf oder Trans­li­te­ra­tio­nen in neuen Regionen, was zeigt, dass sich die Anwendung für den:die interessierte:n Nutzer:in etabliert hat. Frau Fellmann, die das Wenkerbögen-Transliterations-Projekt bereits seit den Schweizer Tagen begleitet und als stetige Nutzerin der Anwendung viel zur Entwick­lung und Verbes­se­rung beigetra­gen hat, schreibt zu ihrer Motivation:

Die 40 Wenker-Sätze und die Entde­ckung der Rücksei­ten mit den Angaben zu den an der Überset­zung Betei­lig­ten und deren Dialekt halfen mir durch die Corona-Zeit. Aber es wurde noch besser, als an der Uni Marburg ein neues Tool zur Verfügung gestellt wurde. Dieses erlaubt, dass man alles anschauen und die selber transkri­bier­ten Sätze jederzeit verbes­sern kann. 

Die Beschäf­ti­gung mit den Wenker-Sätzen ist für mich dank des kurzen Drahtes zum IT-Techniker Robert Engster­hold und vor allem der lehr- und hilfrei­chen Kontakte zu Frau Prof. Elvira Glaser so bereichernd.

Die Anwendung ist bewusst einfach gehalten, um zum einen nicht Opfer des sogenann­ten “Feature Creep” zu werden und die Einstiegs­hür­de für neue Nutzer gering zu halten. Dennoch haben sich durch Feedback über das Jahr hinweg ein paar Baustel­len zur Verbes­se­rung heraus­kris­tal­li­siert. So sollte zum einen das Speichern der Trans­li­te­ra­tio­nen einfacher bzw. offen­sicht­li­cher gestaltet werden und Nutzer:innen sollten einfacher ihre eigenen Arbeiten angezeigt bekommen und wieder­fin­den können. Auch sind Verbes­se­run­gen im Sinne der Acces­si­bi­li­ty der Webseite geplant, da ein Gros der Nutzer älter ist, ist es wichtig, besser auf mögliche Sehschwä­chen, die oft mit dem Alter eintreten, einzu­ge­hen. So sollten sich die Symbole optisch deutli­cher vonein­an­der abheben und gezielte wichtige Textblö­cke sollten vergrö­ßer­bar oder kontrast­stär­ker sein. Eine Heraus­for­de­rung, die uns bei der Entwick­lung der Wenkerbögen-App noch bevor­steht, ist eine angemes­se­ne Einga­be­mas­ke für die Vorder­sei­te der Wenker­bö­gen zu bauen, ohne dabei das Prinzip der Einfach­heit zu verletzen. Während die Wenker­sät­ze als einfache Liste mit 38–42 Einträgen erfasst werden können, ist die Vorder­sei­te deutlich kompli­zier­ter aufgebaut. So unter­schei­den sich unter anderem die Inhalt je nach Bogentyp leicht, wodurch verschie­de­nen Masken benötigt werden.

Wir hoffen, dieses Jahr noch einen ersten Entwurf für die Vorderseiten-Maske online stellen zu können und so den inter­es­sier­ten Citizen Scien­tists weitere Heraus­for­de­run­gen zum Trans­li­te­rie­ren bieten zu können.

Literatur:

Fleischer, Jürg. (2014). Das flektier­te prädi­ka­ti­ve Adjektiv und Partizip in den Wenker-Materialien. In Dominique Huck (ed.), Aleman­ni­sche Dialek­to­lo­gie: Dialekte im Kontakt. Beiträge zur 17. Arbeits­ta­gung für aleman­ni­sche Dialek­to­lo­gie, 147–168. Stuttgart: Steiner.

Fleischer, Jürg (2017): Geschich­te, Anlage und Durch­füh­rung der Fragebogen-Erhebungen von Georg Wenkers 40 Sätzen. Dokumen­ta­ti­on, Entde­ckun­gen und Neube­wer­tun­gen. Hildes­heim: Olms.

Friedli, Matthias (2012): Der Kompa­ra­tiv­an­schluss im Schwei­zer­deut­schen: Arealität, Variation und Wandel. Diss. UZH 2008. Zürich 2012. https://opac.nebis.ch/ediss/20121543.pdf

Kakhro, Nadja (2005): Die Schweizer Wenker­sät­ze, in: Christen, Helen (Hg.): Dialek­to­lo­gie an der Jahrtau­send­wen­de (= Lingu­is­tik online 24,3), 155–169.

Lameli, Alfred, Elvira Glaser, Philipp Stoeckle (2020): Drawing areal infor­ma­ti­on from a corpus of noisy dialect data, Journal of Lingu­i­stic Geography 8, 31–48. https://doi.org/10.1017/jlg.2020.4

Raggen­bass, Carmen (2018): “E® törid nüd derig è Goofe­stöck­li triibe.” Eine Analyse der Wenker­ma­te­ria­li­en aus den beiden Appen­zel­ler Halbkan­to­nen. MA-Arbeit Univer­si­tät Zürich.

Sprach­at­las der deutschen Schweiz. Heraus­ge­ge­ben von Rudolf Hotzen­kö­cher­le, fortge­führt und abgeschlos­sen von Robert Schläpfer, Rudolf Trüb, Paul Zinsli. 8 Bände. Bern/Basel 1962–1997.

Diesen Beitrag zitieren als:

Robert Engster­hold & Elvira Glaser. 2023. Ein Jahr Wenkerbögen-App. In: Sprach­spu­ren: Berichte aus dem Deutschen Sprach­at­las 3(5). https://doi.org/10.57712/2023–05