Thank God, it’s Saturday?! Einblicke in die Sprachgeschichte eines Wochentags

Ein Kalender, auf dem ein Samstag eingekreist ist.

Auch abseits der Dialekte gibt es regionale Variation im Deutschen. Eines der bekann­tes­ten Beispiele dafür ist die Bezeich­nung für den Tag vor Sonntag, im Deutschen entweder Samstag oder Sonnabend. Freilich sind diese beiden auch in den Dialekten die weitaus geläu­figs­ten, Samstag grob im Süden und Sonnabend im Norden, wobei es früher durchaus noch weitere Bezeich­nun­gen gab, darunter auch sehr sprechen­de Varianten mit Selten­heits­wert, etwa Bauern­sonn­tag, Bergmanns­abend oder Reine­machtag (DWA 1968: 67). In der Alltags­spra­che (die heute ja nicht mehr unbedingt dialektal sein muss) stellt Samstag laut dem Atlas zur deutschen Alltags­spra­che (AdA) mittler­wei­le die große Mehrheits­va­ri­an­te im alltäg­li­chen Sprach­ge­brauch dar, Sonnabend ist eher im Osten Deutschlands und teilweise noch im hohen Norden, d.h. Schleswig-Holstein und Hamburg, anzutreffen, Letzteres eher bei älteren Sprecher:innen. Diese Variation betrifft nicht nur den dialek­ta­len Sprach­ge­brauch, sondern auch den im geschrie­be­nen Standard­deut­schen („Hochdeut­schen“).

Das Bild zeigt die heutige regionale Verteilung von "Samstag" und "Sonnabend" in den deutschsprachigen Staaten. "Samstag" ist fast überall ausschließlich oder mehrheitlich in Gebrauch, "Sonnabend" ist nur noch in Ostdeutschland häufiger anzutreffen.

Abbildung 1: Samstag/Sonnabend-Karte aus dem AdA (2023, https://www.atlas-alltagssprache.de/r13-f1l/)

Samstag und Sonnabend – heutiger Gebrauch und Etymologie

Was wir heute erkennen können, ist Folge eines Wandels, der sich tatsäch­lich erst im 20. Jahrhun­dert abgespielt hat. Special mention geht an dieser Stelle an den Sater(s)dag, der noch bis zum Beginn des 20. Jahrhun­derts in den nordwest­li­chen Dialekten üblich gewesen und wie engl. Saturday nach der römischen Gottheit Saturn benannt ist. Nun klingt der „Tag des Saturns“ aus frühchrist­li­cher Sicht eher „heidnisch“. Da wundert es einen nicht, dass zur Zeit der Chris­tia­ni­sie­rung im Frühmit­tel­al­ter andere Benen­nun­gen aufkommen, nämlich im Süden des deutsch­spra­chi­gen Gebietes nach dem Sabbat, ahd. sambaʒtag, und im Osten nach dem darauf­fol­gen­den Tag, ahd. sunnūnāband, wörtl. ‚Vorabend des Sonntags‘. Das kommt wohl daher, weil nach damaliger (kirchlich geprägter) Vorstel­lung am Sabba­t­abend bereits der Sonntag beginnt, der übrige Tag also dessen Vorabend ist. Beide Bezeich­nun­gen breiteten sich – wahrschein­lich je nach Missio­nars­ge­biet – in der Süd- bzw. Osthälfte des deutsch­spra­chi­gen Raums rasch aus, auch in gedruck­ten Texten.

Kleine regionale Sprachgeschichte der Varianten Samstag und Sonnabend

Es ist zurück bis in die Frühe Neuzeit belegt, wie sich Samstag und Sonnabend typischer­wei­se regional verteilen, z. B. in gedruck­ten regio­na­len Zeitungs­tex­ten: Samstag wird im deutschen Mittel­wes­ten, in Süddeutsch­land, in Öster­reich und in der Schweiz verwendet, Sonnabend ist spiegel­bild­lich dazu in Nord- und Ostdeutsch­land üblich. Natürlich ist zu keinem Zeitpunkt eine absolute Zuordnung von Sprach­va­ri­an­ten zu Gebieten möglich und im Laufe der Geschich­te sind immer wieder einmal „Ausreißer“ zu sehen, bspw. Sonnabend-Belege in Zeitungen aus Nürnberg, wo eigent­lich Samstag zu erwarten wäre. Mitunter wird wiederum ein religiö­ser Zusam­men­hang angenom­men, nämlich mit der Konfes­si­on des Terri­to­ri­ums, aus dem die Drucke stammen. Das ergäbe Samstag eher in katho­li­schen Gebieten, Sonnabend eher in evange­li­schen (Nürnberg etwa war mehrheit­lich protes­tan­tisch). Die seiner­zei­ti­ge Druck­spra­che eines Terri­to­ri­ums richtet sich ebenso wie dessen Konfes­si­on nach den Vorgaben des herrschen­den Fürsten und zenso­ri­sche Eingriffe sind auf Ebene des Wortschat­zes durchaus üblich. Protestantische Drucker und Verleger müssen also im Sprachgebrauch seinerzeit gegebenenfalls katholischen Zensoren Folge leisten, die natürlich auffällig „protestantische“ Wörter aus Texten herausstreichen, und umgekehrt kontrollieren protestantische Zensoren womöglich katholische Druckerzeugnisse. Aller­dings lässt sich der Zusam­men­hang mit der Konfes­si­on derzeit nicht stich­hal­tig nachwei­sen. Die regionale Grund­ver­tei­lung von Samstag und Sonnabend bleibt jeden­falls bis ins frühe 19. Jahrhun­dert im Wesent­li­chen gleich (Näheres in Niehaus 2022).

Fast forward in das späte 20. Jahrhun­dert: In den Daten des „Wortatlas der deutschen Umgangs­spra­chen“ (WDU 1977: 31) zeigt sich das regionale Bild leicht verändert. Noch immer ist zwar Samstag im Westen und Süden, Sonnabend im Norden und Osten des deutschen Sprachgebietes in Gebrauch, aber im Nordwesten – ziemlich genau dort, wo früher Satersdag in den Dialekten üblich war – tritt nun auch Samstag auf. Nochmals einige Jahrzehn­te später, um das Jahr 2000, geht dann sogar die ARD Tages­schau aus Hamburg, eigent­lich einem einge­fleisch­ten Sonnabend-Gebiet, dazu über, im Wetter­be­richt von Samstag zu sprechen, wohl, weil dies mittler­wei­le für die meisten Zuschauer:innen einfach üblicher ist. Dafür spricht jeden­falls die Dokumen­ta­ti­on im AdA, man verglei­che die WDU-Karte und (ältere) AdA-Karte.

Das Bild zeigt die regionale Verteilung von "Samstag" und "Sonnabend" in den deutschsprachigen Staaten zur Zeit der 1970er Jahre. "Samstag" ist im Süden und im Rheinland mehrheitlich in Gebrauch, "Sonnabend" im Norden und Osten.
Abbildung 2: Samstag/Sonnabend in den 1970ern (aus WDU 1977, Karte 41)
Das Bild zeigt die regionale Verteilung von "Samstag" und "Sonnabend" in den deutschsprachigen Staaten zur Zeit der frühen 2000er Jahre. "Samstag" ist im Süden und im Rheinland mehrheitlich in Gebrauch und hat sich nach Norden (Bremen, Niedersachsen) und Osten (Hessen) ausgebreitet, "Sonnabend" ist nur noch in Schleswig-Holstein und Ostdeutschland üblich.

Abbildung 3: Samstag/Sonnabend-Karte aus dem AdA (2001/2002, https://www.atlas-alltagssprache.de/samstag/)

Das Schicksal von Sonnabend

Wann aber hat sich die Präferenz der Sprachbenützer:innen zugunsten von Samstag gedreht, und warum? Immerhin haben wir es mit einer regio­na­len Vertei­lung zu tun, die zuvor jahrhun­der­te­lang stabil erscheint. Wenn man die heutige schwer­punkt­mä­ßi­ge Verwen­dung von Sonnabend in Ostdeutsch­land bedenkt, liegt es zunächst vielleicht nahe, die deutsche Teilung und die mögliche Unbeliebt­heit von „DDR-Kennwörtern“ im westdeut­schen Norden als Erklärung dafür zu sehen (hierzu auch Elspaß 2005: 12). Aber so einfach ist es nicht …

Meine Salzbur­ger Kollegin Laura Fischlhammer und ich haben Wörter­bü­cher von 1870 bis 1990 sowie Zeitungs­tex­te aller deutsch­spra­chi­gen Regionen von 1870 bis 1950 nach Samstag und Sonnabend durch­fors­tet (Zeitungs­tex­te zwischen 1950 und 1990 sind leider noch nicht breit verfügbar) (vgl. Niehaus/Fischlhammer i.V.). Daraus lassen sich zwei Einwände gegen eine „DDR-Variante“ Sonnabend ableiten:

Einwand 1: Um die Mitte des 20. Jhs. wurde Einiges dafür getan, Sonnabend als überre­gio­na­le Variante zu etablie­ren. Dazu gehört, dass in Duden-Ausgaben der 1930er und 1940er Jahre nur Samstag regional markiert war, Sonnabend jedoch nicht. Des Weiteren gab es in der seiner­zei­ti­gen Forschung Aussagen wie jene, dass Sonnabend die „feinere“ Ausdrucks­wei­se sei gegenüber dem „groben“ Samstag (Moser 1959: 506), was wohl auf den populären Mythos zurück­zu­füh­ren ist, dass im Norden, also im Sonnabend-Gebiet, das „beste“ Hochdeutsch gespro­chen würde. Unter diesen Bedin­gun­gen hätte Sonnabend also eigent­lich sogar gute Chancen gehabt, sich auszu­brei­ten statt zurück­ge­drängt zu werden.

Einwand 2: Der histo­ri­sche Gebrauch in Zeitungen zeigt, dass Sonnabend bereits zu Beginn des 20. Jahrhun­derts im Rheinland, im Nordwes­ten und – weniger deutlich – auch im Nordosten und in Sachsen an Boden gegenüber Samstag verliert. In der „Kölni­schen Zeitung“ und im „Bonner General-Anzeiger“ etwa machte Sonnabend noch bis 1900 fast ein Drittel aller Belege aus – nach 1929 sind es nur noch unter 10%. Vielleicht erklärt diese Verdrän­gung des Sonnabends ja auch, warum für den Kommissar Gereon Rath das Wort Samstag bereits so normal ist, dass ihm nach seinem Umzug vom Rheinland nach Berlin („Der nasse Fisch“, Roman von Volker Kutscher, 2008, verfilmt als Babylon Berlin) ausge­rech­net der mittler­wei­le „rheini­sche“ Samstag gegenüber dem „berli­ni­schem“ Sonnabend als sprach­li­cher Unter­schied in der neuen Heimat auffällt. Zurück zu den Daten: Die Zunahme von Samstag lässt sich am besten im deutschen Nordwes­ten, nämlich in der Westfä­li­schen Zeitung und dem Hanno­ver­schen Courier, veran­schau­li­chen: Dort lagen Samstag-Belege um 1900 noch im einstel­li­gen Prozent­be­reich, nach 1929 machten sie bereits ein Drittel aller Belege aus. Insgesamt geschieht die Zunahme von Samstag im Westen also, noch bevor es die DDR überhaupt gibt.

Das Bild zeigt Balkendiagramme, die die relativen Gebrauchshäufigkeiten für "Samstag" und "Sonnabend" je nach Region und Zeitabschnitt (in den Jahren 1870 bis 1950) zeigen. "Samstag" im Süden inklusive Österreich und Schweiz bleibt stabil, im Westen und Norden breitet sich "Samstag" überraschend früh, nämlich gleich in den ersten Jahren des 20. Jhs. aus.

Abbildung 4: Gebrauch von Samstag/Sonnabend in deutsch­spra­chi­gen Zeitungen 1870–1950, n = absolute Treffer­zah­len (CH = deutsch­spra­chi­ge Schweiz – A‑West = Vorarl­berg, Tirol – A‑Mitte: Salzburg, Oberös­ter­reich – A‑Südost: Kärnten, Steier­mark – A‑Ost: Nieder­ös­ter­reich, Wien, Burgen­land – D‑Südost: Bayern – D‑Südwest: Baden-Württemberg – D‑Mittelwest: Hessen, Rheinland-Pfalz, nördl. Rheinland – D‑Mittelost: Thüringen, Sachsen – D‑Nordwest: Nieder­sach­sen, Ruhrge­biet, Hannover, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein – D‑Nordost: Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Branden­burg, Berlin) (aus: Niehaus/Fischlhammer i.V.)

Fazit: Dass sich Samstag rapide ausbrei­tet, hat schon wesent­lich früher begonnen als aus den WDU- und AdA-Daten absehbar. Mindes­tens seit dem frühen 20. Jh. nimmt der Gebrauch von Sonnabend immer mehr ab.

Kleines Detail am Rande zu Öster­reich: Zwischen 1898 und 1912 schnellt die Anzahl von Sonnabend-Belegen in der Steier­mark recht plötzlich nach oben, um dann ebenso abrupt wieder abzusin­ken. Das ist zurück­zu­füh­ren auf das Grazer Tagblatt, aus dem all diese Belege stammen und das in dieser Zeit Sonnabend als Wochen­tags­an­ga­be im Zeitungs­kopf verwen­de­te. Die Umstel­lung könnte mit der politi­schen Gesinnung zu tun haben, denn das Grazer Tagblatt war großdeutsch-nationalistisch ausge­rich­tet und bevor­zug­te womöglich eine möglichst „reichs­deut­sche“, preußi­sche Ausdrucks­wei­se. Der damalige Heraus­ge­ber Hermann Kienzl hatte zudem sein journa­lis­ti­sches Handwerk in Berlin gelernt und mögli­cher­wei­se von dort den Sonnabend ins grüne Herz Öster­reichs „impor­tiert“.

Schluss

Bleibt die Frage: Warum hat sich Samstag überhaupt ausge­brei­tet, insbe­son­de­re, wenn es hinsicht­lich Prestige doch im Nachteil gegenüber dem „feineren“ Sonnabend war? Tja, ich weiß es auch nicht, habe aber eine (sozio­lin­gu­is­tisch begrün­de­te) Annahme. In Fällen, in denen sich zwei häufig verwen­de­te Varianten gegen­über­ste­hen, setzt sich oft diejenige durch, die in der Mehrheit des Sprach­ge­biets verbrei­tet ist – und darum als „allgemein verständ­li­cher“ gilt (egal, ob das tatsäch­lich so ist). Man könnte auch vermuten, dass es verwir­rend ist, die Abkür­zun­gen der Wochen­ta­ge als Mo – Di – Mi – Do – Fr – So – So  anzugeben. Da müsste man, wenn, dann schon „Sa“ für SonnAbend schreiben, was aber erstens dem Abkür­zungs­prin­zip nach den ersten Buchsta­ben wider­sprä­che und zweitens als Samstag (miss-?)verstanden werden könnte. 

Ob Samstag oder Sonnabend, für viele Menschen in Deutsch­land ist er heutzu­ta­ge kein Arbeits­tag mehr, das Wochen­en­de beginnt am Freitag­abend. In diesem Sinne, der Arbeits­schluss ist in Sicht, oder auch: Thank God, it’s Friday! Und der Freitag heißt überall gleich.

Literatur

DWA = Mitzka, Walther & Ludwig Erich Schmitt. 1968. Deutscher Wortatlas. Band 16. Gießen: Wilhelm Schmitz Verlag.

Elspaß, Stephan & Robert Möller. 2003ff. Atlas zur deutschen Alltags­spra­che (AdA). OpenAccess-Publikation. URL: https://www.atlas-alltagssprache.de. 

Elspaß, Stephan. 2005. Zum Wandel im Gebrauch regio­nal­sprach­li­cher Lexik. Ergeb­nis­se einer Neuer­he­bung. Zeitschrift für Dialek­to­lo­gie und Lingu­is­tik 72(1), 1–51. https://www.jstor.org/stable/40505066

Elspaß, Stephan & Konstan­tin Niehaus. 2014. The standar­diza­ti­on of a modern pluri­are­al language. Concepts and corpus designs for German and beyond. Orð og tunga 16 (2014), 47‒67. https://ordogtunga.arnastofnun.is/index.php/ord-ogtunga/article/view/82

Niehaus, Konstan­tin. 2022. Standar­di­sie­rung im Sprach­ge­brauch. Variation und Wandel des ‚älteren‘ und ‚jüngeren‘ Neuhoch­deut­schen im Vergleich. In Anna Havinga & Bettina Lindner-Bornemann (Hgg.): Deutscher Sprach­ge­brauch im 18. Jahrhun­dert: Sprach­men­ta­li­tät, Sprach­wirk­lich­keit, Sprach­reich­tum. Heidel­berg: Winter Verlag. 191–211. https://www.winter-verlag.de/de/detail/978-3-8253-4825- 0/Havinga_ua_Hg_Deutscher_Sprachgebrauch/

Niehaus, Konstan­tin & Laura Fischl­ham­mer. i. V. Diato­pi­sche Variation im Standard­deut­schen histo­risch betrach­tet. Forschungs­über­blick und metho­di­sche Problem­fel­der am Beispiel der Lexik.

WDU 1977 = Eichhoff, Jürgen. 1977. Wortatlas der deutschen Umgangs­spra­chenBand I. Bern: Francke.

Diesen Beitrag zitieren als

Niehaus, Konstan­tin. 2025. Thank God, it’s Saturday?! Einblicke in die Sprach­ge­schich­te eines Wochen­tags. In: Sprach­spu­ren: Berichte aus dem Deutschen Sprach­at­las 5(10). https://doi.org/10.57712/2025-10

Konstantin Niehaus
PD Dr. Konstantin Niehaus war im Sommersemester 2025 Vertretungsprofessor für Sprachgeschichte am Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas. Er promovierte 2015 an der Universität Augsburg und habilitierte sich 2024 an der Universität Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Soziolinguistik, Sprache und Identität, Sprachgeschichte, Variationslinguistik und Dialektologie. Er liebt die britischen Inseln und mag Katzen.