„MundART mit Biss“: Dialektfestival in Eschenburg-Eibelshausen feiert die hessische Sprachvielfalt

Am 1. Mai 2025 verwan­del­te sich Eschen­burg bereits zum zweiten Mal in einen leben­di­gen Treff­punkt für Dialekt­in­ter­es­sier­te aus ganz Hessen. Unter dem Motto „MundART mit Biss“ lud der 2018 gegrün­de­te Dialekt-Dachverband MundART zum diesjäh­ri­gen Festival im Ortsteil Eibels­hau­sen ein, das ganz im Zeichen der hessi­schen Mundart­viel­falt stand. Das abwechs­lungs­rei­che Programm vereinte kultu­rel­le und wissen­schaft­li­che Beiträge – neben Musik und Lyrik im Dialekt standen auch Fachvor­trä­ge auf dem Programm, unter anderem von Prof. Dr. Alfred Lameli (Marburg) zum Thema „Dialekt zwischen Alltag und KI“ und Prof. Dr. Hanna Fischer (Rostock) zu „Mundart macht Schule“. Karl-Wilhelm Becker unter­hielt das Publikum mit seinem gehalt­vol­len Beitrag zu den hessi­schen Mundart-Regionen. Reiner Wagner präsen­tier­te das Projekt „Geschwasde on geschrewene Sproche“ (GOGS), das 2025 mit dem erstmals verge­be­nen Hessi­schen Mundart-Preis ausge­zeich­net wurde. 

Auf der Bühne „off der Gass“ sorgten musika­li­sche Beiträge und Lesungen wie „Grimms Märchen in Oberhes­si­scher Mundart“ oder „Lieder in Wäller Platt“ für Begeis­te­rung. Die verschie­de­nen Infor­ma­ti­ons­stän­de regio­na­ler Kultur­ver­ei­ne – darunter  der Dialekt­ver­ein Hinter­land und die Hinter­län­der Spinn­stu­be – sowie der Stand des Hessen-Nassauischen Wörter­buchs luden dazu ein, ins Gespräch zu kommen, sich über Dialekt­for­schung zu infor­mie­ren und die hessische Mundart in ihrem Facet­ten­reich­tum zu entdecken. 

Abb.1: Stand des Hessen-Nassauischen Wörterbuchs

Dialekt und KI

Im Zuge der Vortrags­rei­he, die im Rathaus stattfand und neben den Infostän­den im Bürger­haus eine spannende Ergänzung zur Gesamt­la­ge der hessi­schen Dialekt­si­tua­ti­on darstell­te, hielt unser Direktor Prof. Dr. Alfred Lameli einen Vortrag über das Thema „Dialekt zwischen Alltag und KI“. Er richtete den Blick insbe­son­de­re auf die Forschungs­tra­di­ti­on, die sich seit über 150 Jahren mit den hessi­schen Dialekten beschäf­tigt und im Laufe der Zeit belegte, dass kein anderes Bundes­land eine solch vielfäl­ti­ge sprach­li­che Variation wie Hessen aufweist. Dieser Erfolg, so hob Lameli hervor, ist jedoch nicht nur das Verdienst der Forschung, sondern auch der Menschen, die sich seit Jahren auf unter­schied­li­che Weise für den Erhalt der hessi­schen Dialekte einsetzen. Der Erhalt, die Dokumen­ta­ti­on und die Weiter­ga­be dieses kultu­rel­len Erbes ist ein gesamt­ge­sell­schaft­li­ches Thema und eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Aufgabe, die zum einen in der Verant­wor­tung der Wissen­schaft und des Ehrenamts und zum andern in der Verant­wor­tung der Politik liegt, die sich den Schutz und die Förderung des Dialekts als Staats­ziel gesetzt hat. 

Lameli machte ebenfalls auf die sich im Wandel befin­den­den Sprach­ge­wohn­hei­ten aufmerk­sam: Die Dialekte verändern sich, gleich­zei­tig entstehen neue Regio­na­li­tä­ten, besonders bei den Jugend­li­chen. Zudem betonte Lameli nachdrück­lich, dass sich in dieser Situation eine wertvolle Chance biete, die Regio­nal­spra­che als kultu­rel­les Erbe zu bewahren, sodass kurz- und mittel­fris­tig eine tiefere Wertschät­zung für sprach­li­che Variation entstehen könne. In diesem Prozess der Förderung und des Erhalts könnte Künst­li­che Intel­li­genz künftig eine sinnvolle und unter­stüt­zen­de Rolle übernehmen. 

Wie das gelingen kann, verdeut­lich­te auf dem Festival Daniel Gaiswink­ler mit seinem Vortrag zu „Mundart & KI – Digita­li­sie­rung unserer sprach­li­chen Heimat“ (zur Lahn-Dill-Babbelbox). Im Anschluss präsen­tier­te Lameli die Plattform Dialekte in Hessen – Informationsportal zur Sprachgeographie, auf der sich die inter­es­sier­te Öffent­lich­keit umfassend über die in Hessen gespro­che­nen Dialekte infor­mie­ren kann. Ergänzend wies er auf das Hessen-Nassauische Wörterbuch und den Firmenich-Transliterator hin, wo sich Inter­es­sier­te direkt in der Wissen­schaft engagie­ren können, z.B. um Mundart­tex­te für weitere KI-Anwendungen zu erschließen.

Abb. 2: Vortrag von Alfred Lameli

Dialekt und Schule

Prof. Dr. Hanna Fischer stellte die Förderung des Dialekts in der Schule ins Zentrum ihres Vortrags. Dialekt – als Ausprä­gung regio­na­ler Kultur und Identität und als immate­ri­el­les Kultur­er­be sowie als kommu­ni­ka­ti­ve Ressource – ist in den Bildungs­stan­dards der Länder als Thema verankert. Damit ist er ein Gegen­stand für den Schul­un­ter­richt. Fischer zog in ihrem Vortrag einen Vergleich zum Bundes­land Mecklenburg-Vorpommern, in dem die Regio­nal­spra­che Nieder­deutsch von der KiTa bis zum Abitur gefördert wird und in den Lehrplä­nen verankert ist. Ein eigenes Kompetenzzentrum für Niederdeutschdidaktik an der Univer­si­tät Greifs­wald unter­stützt angehende Lehrkräf­te durch die Erstel­lung von Unter­richts­ma­te­ria­li­en, Sprach­kur­sen, Studium, Fort- und Weiter­bil­dun­gen und zahlrei­chen weiteren Angeboten. Um die Dialekte auch in Hessen in der Schule besser zu fördern, besteht ein großer Bedarf an Unter­richts­ma­te­ria­li­en, Fortbil­dungs­mög­lich­kei­ten und mehr. Als wichtigs­te nächste Schritte skizzier­te Fischer die Fertig­stel­lung des Hessen-Nassauischen Wörterbuchs sowie den Ausbau der Plattform Sprachvariation@Schule, deren Umsetzung aktuell nicht abgesi­chert ist. Perspek­ti­visch sollte auch die Einrich­tung einer Kompe­tenz­stel­le für Dialekt­di­dak­tik in den Blick genommen werden.


Auch seitens der Politik erfuhr das Festival Zuspruch: Heimat­mi­nis­ter Ingmar Jung, der bereits zum zweiten Mal die Veran­stal­tun­gen der Mundart­ak­ti­ven rund um den Dialekt-Dachverband in Eschen­burg besuchte, hob in seinem Grußwort die Bedeutung des Dialekts als verbin­den­des Element in einer vielfäl­ti­gen Region hervor. Unabhän­gig davon, welchen Dialekt man spreche, sei eine Verstän­di­gung immer möglich – und genau das mache die Mundart so wertvoll. Das Festival bot auf diese Weise einen leben­di­gen Rahmen für den Austausch, bei dem Dialekt­in­ter­es­sier­te unter­schied­li­cher Herkunft und Erfah­run­gen mitein­an­der ins Gespräch kamen und die Vielfalt der hessi­schen Dialekte hautnah erlebten.

Weitere Infor­ma­tio­nen zum Festival: https://www.gemeinde-eschenburg.de/mundart/

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Euler, Dorothea, Frank, Marina, Fröh, Monika, Kammers, Heiko & Lang, Vanessa. 2025. “MundART mit Biss”: Dialekt­fes­ti­val in Eschenburg-Eibelshausen feiert die hessische Sprach­viel­falt. In: Sprach­spu­ren: Berichte aus dem Deutschen Sprach­at­las 5(7). https://doi.org/10.57712/2025-07

Dorothea Euler, Marina Frank, Monika Fröh, Heiko Kammers und Vanessa Lang